Donnerstag, 11. September 2008

Unerschöpfliche Diskussion um Handel mit gebrauchter Software (Teil 1)


Das rechtskräftige Urteil des LG München I zum Vertrieb gebrauchter Software – diesmal handelte es sich um den teilweisen Verkauf aufgespaltener Microsoft-Volumenlizenzen – zu Gunsten des Gebrauchtsoftwarehändlers usedSoft hat noch keine befriedigende Lösung des Problems gebracht, ob dieser generell legal ist oder eben nicht.

Juristisch von entscheidender Bedeutung ist dabei,
wie dem urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz gemäß § 69 c Nr3 Satz 2 UrhG im Spannungsfeld mit dem damit kollidierenden Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers gemäß §§ 69c Nr3 Satz 1, 17 Abs. 1 UrhG gebührend Rechnung zu tragen ist.

Grundsätzlich hat allein der Urheber das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke seines Werks der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Dieses Recht wird vom Gesetz als Verbreitungsrecht bezeichnet.

Der Erschöpfungsgrundsatz begrenzt jedoch dieses ausschließliche Verwertungsrecht. Er bestimmt, dass der Rechtsinhaber durch Veräußerung eines Vervielfältigungsstücks im europäischen Wirtschaftsraum dieses Recht verbraucht hat, so dass weitere Verwertungshandlungen in Bezug auf dieses Exemplar nicht mehr vom Schutzrecht erfasst werden. Insoweit steht ihm nur das Recht zur Erstverbreitung zu.

Grund soll die u.a. durch die EU-Richtlinie 2001/29/EG zur Informationsgesellschaft in Art. 4 Abs. 2 gebotene Sicherstellung der Verkehrsfähigkeit der einmal im europäischen Wirtschaftsraum veräußerten Werkstücke sein.

Dabei soll es zumindest in Deutschland entscheidend darauf ankommen, ob es sich um ein "verkörpertes" Vervielfältigungsstück des Werks handelt, die Software also auf Datenträger veräußert wurde, ein scheinbar probates juristisches Argument, um den Handel mit gebrauchter Software, insbesondere per Download zum Versiegen zu bringen, zumal letzterer dem modernen Warenverkehr von Software entspricht, weil immer seltener Datenträger verkauft werden.

Dass das Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers gemäß § 15 Abs. 1 UrhG ein Verwertungsrecht in körperlicher Form ist, ist in Lehre und Rechtsprechung völlig unbestritten und wird auch hier nicht angezweifelt.

Bislang wurde in diesem Zusammenhang jedoch nicht konkretisiert, wovon dieses abzugrenzen ist, was also im Gegensatz dazu eine Verwertung in unkörperlicher Form ist. Dabei ergibt sich die Lösung unmittelbar aus Abs. 2 derselben Vorschrift, aus § 15 Abs. 2 UrhG:
Bei unkörperlichen Verwertungsarten geht es nicht um die Manifestierung des Werks in einer irgendwie gearteten festen Form, sondern um deren flüchtige Darbietung wie bei der öffentlichen Wiedergabe, Sendung in TV, Hörfunk oder Aufführrung, etc.

Ein Datenpaket hingegen verflüchtigt sich nicht deshalb, nur weil es noch auf Festplatte geladen oder auf CD gebrannt werden muss. Es bleibt immer dasselbe Datenpaket mit derselben Software, allein die Verkörperungsform desselben Werkstücks ändert sich.

Sofort drängt sich der Gedanke auf, dass die unkörperliche Verwertung beim Download von Software nicht passt, weil man Software schwerlich aufführen kann. Es ist konsequenterweise nicht einzusehen, warum der Download von Software dann als unkörperlich betrachtet wird.

Wenn man schon eine Regelung des Urheberrechts analog anwenden möchte, weil man in einem digitalen Datenpaket keine veräußerbare Ware sehen möchte, nur weil man diese nicht ins Regal stellen oder per Post zusenden kann, obwohl man diese genauso installiert und nutzt wie von einer CD oder DVD aus, dann kann die Lösung nur in der analogen Anwendung des § 15 Abs. 1 UrhG liegen, indem man die Verkörperung der Software in dem Datenpaket, das man vom Server des Verkäufers downloaden kann, der auf CD-ROM oder DVD gleichsetzt.

Dass es für eine Analogie an einer Regelungslücke mangeln soll, widerlegt schon die Systematik des Gesetzes. Schließlich wurden die Regelungen für den urheberrechtlichen Schutz von Software gemäß §§ 69a ff. UrhG erst nachträglich 1993 eingefügt.
Angesichts der Tatsache, dass sich in der IT-Entwicklung in den letzten zehn Jahren vieles mehrmals massiv geändert hat, der Download von auch großen Datenpakten wegen der fast schon flächendeckenden Verbreitung von Breitbandanschlüssen mittlerweile der Normalfall ist, kann dem Gesetzgeber von 1993 und auch 1998 durchaus nachgesehen werden, dass er damals den Download von Software als Verwertungsart von Computerprogrammen (noch) nicht berücksichtigt hatte

Fazit:

Da auch der Originaltext der o.g. EU-Richtlinie 2001/29/EG bei genauer Betrachtung neutral formuliert von Kopien oder "copies" spricht, dürfte bereits eine direkte Anwendung der zwingenden gesetzlichen Folge der Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach dem Erstvertrieb gemäß §§ 69c Nr3 Satz 2, 17 Abs. 1, 15 Abs. 1 UrhG keine Kopfschmerzen bereiten.

©Marcella Morelj 25.08.2008, Foto pixelio/Alexander Hauk

Lesen Sie in Teil 2, was noch für die Legalität des Vertriebs gebrauchter Software, gerade beim Downloadvertrieb spricht und abschließend in Teil 3, ob und wie Hersteller überhaupt den Vertrieb ihrer Software rechtlich sauber steuern können.