Mittwoch, 5. September 2007

Welche Widerrufsbelehrung darf's denn sein?

Immer wieder werden Onlineshop-Betreiber wie Powerseller gezielt mit Abmahnungen überzogen. Das ernährt den Anwalt sowie den nimmersatten Rivalen, der sich das Highlander-Motto auf die Fahne geschrieben hat, dass es nur einen geben könne, mag das Umsatzvolumen der Konkurrenz im Netz vergleichsweise dünn sein. Dabei werden die Bestellsysteme der Shopbetreiber systematisch nach Fehlern durchkämmt. Eine Fundgrube für diese Raubritter des Onlinehandels ist nach wie vor Platzierung wie auch inhaltliche Umsetzung gesetzlicher Informations- und Belehrungspflichten in Fernabsatz und elektronischem Geschäftsverkehr, treffsichere Waffe eine Abmahnung wegen unlauteren Wettbewerbs gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG[1] aufgrund Gesetzesverstoßes oder auch irreführender Werbung gemäß § 5 UWG. Der gesetzlich erhebliche Verstoß liegt in einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften der §§312 d, 355 BGB, wonach Verbrauchern bei Fernabsatzverträgen eine deutlich gestaltete Belehrung über ihr Widerrufsrecht, die ihnen ihre Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt werden muss. Dies gibt § 355 Abs. 2 BGB genau vor wie auch bei Haustürwiderrufsgeschäften (u.a. Verbraucherverträgen) nach §§ 312, 355 BGB.

Viele Onlineshopbetreiber wähnen sich auf der sicheren Seite, weil sie für die gesetzlich vorgeschriebene Widerrufsbelehrung die amtliche Musterbelehrung in Anhang 2 zu § 14 Absatz 1 BGB-Informationspflichten-Verordnung (BGB-Info-V)[2], die der Gesetzgeber selbst zur Verfügung gestellt hat, bedenkenlos übernommen haben, bis Probleme in Gestalt einer Abmahnung auftauchen, in der ohne mit der Wimper zu zucken Ordnungsgelder in Höhe von € 250.000 für jede einzelne Zuwiderhandlung angedroht werden können, was auch gerichtlich durchsetzbar ist[3]. Da sind die Abmahnkosten der Anwälte noch nicht eingerechnet.

Was ist an der Musterwiderrufsbelehrung auszusetzen?
Die Musterwiderrufsbelehrung weist kryptisch darauf hin, dass die reguläre
14-Tagefrist „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ beginnt. Wann sie wirklich beginnt, bleibt dem Verbraucher verborgen.
Der Fristbeginn für den Widerruf muss jedoch klar und verständlich bestimmt werden, damit der Verbraucher weiß, wie lange er wirklich Zeit hat, mitzuteilen, dass er an dem Vertrag nicht festhalten möchte. Hierfür ist nicht erforderlich, exakte Daten anzugeben. Dennoch muss man unterscheiden:

· Bei Warensendungen beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist nach Erhalt der Waren zu laufen, bei Dienstleistungen nach Vertragsschluss, auch wenn die Belehrung schon in Textform ( also schriftlich per Brief, Fax oder Email) vorliegen sollte.
Die Bezeichnung dieses konkreten Ereignisses, das den Fristbeginn auslöst, ist ausreichend. Gleichwohl darf nicht vergessen werden, darauf hinzuweisen, dass die Frist erst am Tag nach dem Ereignis zu laufen beginnt!
Wurden die Waren bereits angeliefert oder der Vertrag geschlossen, jedoch die Widerrufsbelehrung in Textform erst nachgereicht, beginnt erst am Tag nach Erhalt des Belehrungstextes die Widerrufsfrist, die jetzt aber einen Monat beträgt.

· Nicht vergessen werden darf, dass die Widerrufsfrist grundsätzlich erst zu laufen beginnt, wenn sämtliche vorvertraglichen Informationspflichten bei Verträgen im Fernabsatz erfüllt wurden.[4] Dazu gehören ebenfalls genaue Angaben über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts und deren genaue Bedingungen wie Ausübungsmodalitäten, wenn auch hierfür keine Angaben in Textform erforderlich sind.

· Ist die eigentliche Widerrufsbelehrung formell oder inhaltlich zu beanstanden, kann bis zum St. Nimmerleinstag widerrufen werden und die Gefahr einer Abmahnung nach UWG steigt deutlich!

Wie kann man Unheil vermeiden?
Höchstrichterlich ist zum Thema der Frist in der Musterwiderrufsbelehrung noch nichts entschieden worden. Doch hat der BGH unlängst[5] darauf hingewiesen, dass die Verwendung des gesetzlichen Musters unbedenklich sei.
Um sich vor unangenehmen Überraschungen zu wappnen, ist trotzdem ratsam, die Musterwiderrufsbelehrung im Anhang zur BGB-Info-V zumindest in punkto Frist abzuändern. Denn Gerichte der ersten und zweiten Instanz beurteilten den Fristbeginn häufig als unklar und irreführend im Sinne des Fernabsatz- und Wettbewerbsrechts.[6] Natürlich wird auch die gegenteilige Ansicht vertreten.[7]

Bei Geschäften über Ebay und Konsorten wiederum lässt sich die Musterwiderrufsbelehrung gar nicht erst anwenden, da sie in Textform zugänglich gemacht werden muss. Eine Veröffentlichung auf einer stets erreichbaren Internetseite - wie bei Ebay üblich - ist jedoch nicht ausreichend.

Der Ebay-Händler müsste diese zusammen mit der ersteigerten Ware oder extra per Email versenden!

Ausschlaggebend bei der Textform ist die Möglichkeit der dauerhaften Abspeicherung auf der Festplatte des Bestellers (Download) oder einem Datenträger oder Papier (Fax, Brief, Computer-Ausdruck).[8]
Der BGH führt weiter zu diesem Thema aus, dass bei selbst formulierten Texten die gesamte Widerrufsbelehrung streng an den festgeschriebenen Grundsätzen des Fernabsatz- und Verbraucherschutzrechts zu messen ist.
Dies hat das ursprüngliche Dilemma vertieft. Verwendet man das gesetzliche Muster, kann es passieren, dass man in den unteren Instanzen baden geht. Erst die dritte könnte zum Erfolg führen, sofern der BGH bei seiner Ansicht bleibt, worauf er in dem von ihm zu entscheidenden Fall nicht näher einzugehen brauchte, weil da der Kunde nicht auf seine wesentlichen Rechte hingewiesen wurde, so dass eine Widerrufsfrist gar nicht erst zu laufen begann.

Verändert man indessen den Mustertext und sei es auch nur in diesem einen Punkt, sind alle Belehrungsbestandteile einer strengen Prüfung anhand der Grundsätze der zugrundeliegenden Normen zu unterziehen, auch Teile, die der BGB-Info-V entnommen wurden, derer sich der Mustertext in unveränderter Form nicht zu stellen bräuchte, weil sie der Gesetzgeber verfasst hat und der Verwender wohl darauf vertrauen darf, dass letzterer ihm keine Wettbewerbsverstöße vorschreiben würde, so zumindest nach aktueller Anschauung des BGH und Teilen der Rechtsprechung.[9]

Folgende Formulierung könnte dennoch hilfreich sein
, wenn man im Übrigen am Mustertext festhält, den Fristbeginn aber genauer bezeichnet, sowie klarstellt, dass das Widerrufsrecht für Verbraucher gilt. Freiberufler und andere Gewerbetreibende haben im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit kein Widerrufsrecht.

Muster für den Fall einer Warensendung
:
Verbraucher können Ihre Bestellung uns gegenüber schriftlich per Brief, Fax oder Email oder durch Rücksendung der Ware innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Die Frist beginnt am Tag nach Erhalt der Ware. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache….

Muster für den Fall einer Dienstleistung:
Verbraucher können Ihre Bestellung uns gegenüber schriftlich per Brief, Fax oder Email innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Die Frist beginnt am Tag nach Erhalt unserer Vertragsannahme oder der Vertragsurkunde. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs….

Wie und wann muss die Belehrung erfolgen?
Der Belehrungstext ist in Textform, vor oder spätestens mit der Warenlieferung bzw. der Aushändigung der Vertragsannahmeerklärung oder Vertragsurkunde dem Verbraucher zur Verfügung zu stellen.
Nicht ausreichend ist die Einsichtnahme unter einem anderen Link. Das geht nur bei der Erfüllung der erforderlichen o.g. Informationspflichten.[10]

Auf Belehrungen ist zudem deutlich hinzuweisen, am besten fett gedruckt.

Abschließendes Fazit:
Es empfiehlt sich aus Verwendersicht, allein schon wegen der vielen Feinheiten, nicht nur bei der Widerrufsbelehrung, den gesamten Bestellvorgang mit einem Rechtsexperten auf dem Gebiet des (Internet)-Vertragsrechts[11], am besten schon in der Designphase, durchzugehen. Damit ist die Gefahr einer Abmahnung zwar nie völlig gebannt, Sie werden aber trotzdem ruhiger schlafen können, wenn sich die Konkurrenz Ihren Onlineshop vornimmt!

© Rechtsanwältin Marcella Morelj , München, den 10.08.2007

[1] Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

[2] Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht

[3] vgl. LG Berlin 16 O 318/06, Beschluss v. 18.04.2006, LG Halle 1 S 28/05 v. 13.05.2005

[4] Gemeint sind sämtliche Informationspflichten nach § 312 c Absatz 2 BGB und § 312e Absatz 1 Satz 1 BGB, beide ebenfalls konkretisiert in der BGB-Info-V. Auf diese Informationspflichten soll in diesem Artikel nur in Zusammenhang mit dem Widerrufsrecht näher eingegangen werden!

[5] Bundesgerichtshof Mitteilung der Pressestelle Nr. 42 / 2007 vom 13. April 2007

[6] Vgl. LG Halle s.o. Anm. 3, OLG Hamm Beschluss vom 15.03.2007 – 4 W 1/07 (LG Münster – 22 O 141/06)

[7] Vgl. LG Flensburg in MMR 2006, 686, 687

[8] Vgl. KG Berlin MMR 2007, 377

[9] Vgl. LG Münster MMR 2007, 185

[10] Gemeint sind wieder die Informationspflichten nach §§ 312 c Absatz 2 und 312 e Absatz 1 Satz 1 BGB, die in der BGB-InfoV konkretisiert werden.

[11] Dieselbe Problematik spielt bei Haustürgeschäften ebenfalls eine Rolle! Natürlich entfällt hier die Möglichkeit des Downloads oder Ausdrucks der Belehrung und die Gefahr, dass die Konkurrenz Lawinen von Abmahnungen lostritt, ist verschwindend gering. Nur wenn ein Verbraucher bei der Verbraucherzentrale vorspricht, könnte diese stattdessen wettbewerbsrechtlich tätig werden.