Samstag, 28. Februar 2009

Freiheit die ich meine: Die freie Benutzung von Filmschnipseln und Tonfetzen nach § 24 Abs. 1 UrhG


Das jüngste Urteil des BGH zum Tonsampling (vgl. letzten Blogbeitrag), sowie das von 2007 über die freie Verwendung von sog. Laufbildern nach § 95 UrhG, die sonst nicht einmal als Teile von Filmwerken schutzfähig wären, wie auch kleinste Filmschnipsel, die als Klammerteile dennoch einen Markt haben, wirft die Frage auf, ob die rechtliche Konstruktion, die der BGH gewählt hat, um den auch in kleinste Elementarteilchen investierten "wirtschaftlichen, organisatorischen und technischen Aufwand", der im Kontrast zu den Früchten geistigen Schaffens offenbar weit mehr Schutz genießen soll ( vgl. letzten Blogbeitrag), überzeugen kann.

Bei strenger Betrachtung des Schutzumfangs des § 24 Abs.1 UrhG, der im Grunde die freie Benutzung eines Werk oder Werkteils zum Wohle der kulturellen Fortentwicklung schützt, sind Zweifel durchaus angebracht.

Ist die entsprechende Anwendung des § 24 Abs.1 UrhG gerechtfertigt?

Liegt hier überhaupt eine für eine Analogie planwidrige Regelungslücke vor? Wenn der Wortlaut zu Recht als unpassend abgelehnt wird, weil es sich eben nicht um Werke oder Werkteile und auch nicht um in gleichem Maße vom Gesetz ausdrücklich geschützte Produktionsergebnisse handelt, wie z.B. Laufbilder (§95 UrhG), zu denen Rundfunk- und Fernsehsendungen zählen, bedarf es in erster Linie eines vergleichbaren Sachverhalts, um danach feststellen zu können, ob die vorgefundene vermeintliche Regelungslücke auch planwidrig ist und gegen wesentliche Grundgedanken des Gesetzes verstößt.

Warum werden Filmträgerhersteller rechtlich anders behandelt als Tonträgerhersteller?
Der Schutz der Ton- wie auch Filmträgerhersteller ist ebenfalls ausdrücklich, in den §§ 85, 86 und 94, 95 UrhG, normiert. Dabei richtet sich der Schutz der Tonträgerhersteller aber nicht nach den Vorschriften für Musikwerke, während Laufbilder und auch die Rechte der Filmträgerhersteller nach den Vorschriften für Filmwerke behandelt werden, obwohl ihnen auch die erforderliche Schöpfungshöhe für die Annahme des Werkcharakters zuweilen fehlt.
Aus dieser gesetzlichen Systematik lässt sich daher der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber offensichtlich Unterschiede zwischen diesen Gruppen machen wollte.
Kreative Ergebnisse schöpferischer Arbeit und kommerzieller, wie auch technischer oder organisatorischer Aufwand, sind zwei Paar Stiefel, selbst wenn es, wie immer, Überschneidungen gibt.

Was hat das mit der viel gepriesenen Fortentwicklung der Kultur zu tun?
Wer sich aber fremden Schaffens im Sinne der gesetzlichen Auslegung

des § 24 Abs. 1 UrhG auf legale Weise bedienen will, darf das nur, wenn dadurch ein eigenständiges, eigenschöpferisches Werk entsteht, das zu einer Bereicherung des kulturellen Gesamtguts führt. Ein rein ökonomischer Investitionsschutz vermag jedoch nur bedingt der kulturellen Fortentwicklung zu dienen. Im Vordergrund steht vielmehr die Ersparnis von Produktionsaufwand.

Wenn aber nach der gesetzgeberischen Intention die geistige Auseinandersetzung mit einem Werk geistiger Schöpfung zum Wohle der Fortentwicklung der Kultur geschützt werden soll, dient der rein materiell-wirtschaftlich ausgerichtete Investitionsschutz höchstens indirekt der Fortentwicklung der Kultur. Man muss sich diese eben leisten können oder wie eh und je einen Sponsor oder Mäzen finden! Dafür spricht, dass dem Investitionsschutz der Film- und Tonträgerhersteller an anderer Stelle, in den §§ 94, 95 und 85 UrhG, ausreichend Rechnung getragen wurde.

Gibt es im Urheberrechtsgesetz Schrankenbestimmungen, die für eine Analogie taugen?
In den §§ 94,95 und 85 UrhG wird eine Analogie zu § 27 Abs. 2 und 3 sowie Abschnitt 6 des Teil 1 gesetzlich normiert, nicht jedoch zu § 24 Abs. 1 UrhG! Der BGH spricht in diesem Zusammenhang von Schranken des Urheberrechts. Sollte etwa darin die Regelungslücke liegen? Bei genauerer Betrachtung handelt es sich bei § 27 Abs. 2 und 3 UrhG im Gegensatz zur Regelung des § 24 Abs. 1 UrhG um die Konkretisierung der Verwertungsrechte bei Vermietung und Verleihung. Die Schranken der §§ 44a – 63a UrhG reglementieren zum einen die kommerzielle Verwertung, setzen aber auch Grenzen für die kreative Verwendung anderer, ob unmittelbar für Werke und Werkteile mit der gebotenen Schöpfungshöhe oder analog für die bereits erwähnten Laufbilder. Nichtsdestotrotz handelt es sich um völlig unterschiedliche Schutzgüter, die unter ein und dieselbe gesetzliche Reglung subsumiert werden. Das stünde eigentlich einer Analogie entgegen. Das hat jedoch den Gesetzgeber nicht gestört, Laufbildern nach § 95 UrhG analog zu Filmwerken Schutzrechte zuzugestehen und sie in gleichem Maße denselben Schranken zu unterwerfen.

Eine vergleichbare Regelung gibt es hingegen für Musikproduktionen, die keinen Werkcharakter haben, nicht. Dazu gehören die besagten Soundsamples, die mittlerweile wie Klammerteile beim Film einen kommerziellen Gegenwert haben. Der Handel mit Soundbibliotheken und virtuellen Instrumenten boomt schon eine ganze Weile. Werden sie allein deshalb nicht urheberrechtlich geschützt, weil die Populärkultur gemeinhin geringgeschätzt wird? Schließlich werden Laufbilder ohne Werkcharakter in großem Maß von öffentlich-rechtlichen Einrichtungen wie den Rundfunk- und Fernsehanstalten produziert. Die hatten also eine Lobby, die Popmusik hingegen konnte sich noch nicht ausreichend juristisches Gehör verschaffen.

Ist diese Ungleichbehandlung überhaupt rechtlich gerechtfertigt?
Dabei lohnt sich ein neutraler Blick auf die die vom BGH angeführten Beispiele der Film- und Tonaufnahmen von Tieren in der freien Natur(Vogelgezwitscher).
In beiden Fällen kann man weder von einem Film-, noch von einem Musikwerk sprechen. Dennoch ist nachvollziehbar, dass der Aufwand für diese Art Aufnahmen im Einzelfall (z.B. für den Balztanz und -gesang männlicher Bergfinken zur Paarungszeit, die womöglich nur im Morgengrauen ohne Scheu an bestimmten Stellen zu beobachten sind!
) durchaus hoch sein kann, wenn man den Schilderungen von Naturfilmern in Talkshows Glauben schenkt, die sich für manche Aufnahmen wochenlang, wenn nicht sogar Monate auf die Lauer legen müssen. Dies gilt für die gesamte Ton- wie auch Filmaufnahme, genauso wie für einen Bruchteil davon, also auch für kleinste Partikel. Das hat auch der BGH so gesehen, die Argumentation jedoch nicht bis zum Ende durchgehalten.
Es sollte
jedoch keinen Unterschied machen, ob man nun Vögel in Bild und Ton oder nur in Bild aufnimmt oder im Gegensatz dazu nur in Ton!

Letztere Tonaufnahmen werden aber nicht ähnlich wie Musikwerke, etwa in einem § 85a (gibt es nicht!), geschützt wie ihre visuellen Pendants, die Laufbilder. Dafür gibt es auch keinen ersichtlichen Grund. Es wäre folglich auf puren Zufall zurückzuführen, wenn Bildaufnahmen allein urheberrechtlich schutzfähig sein sollten, Tonaufnahmen allein hingegen nicht.
Danach ist es nur noch konsequent, den § 24 Abs. 1UrhG für freie Benutzung in gleicher Weise analog für Tonaufnahmen anzuwenden, wie für Laufbilder. Diese Analogie gebietet die Gleichstellung in § 95 UrhG. Dass eine solche Regelung für Tonaufnahmen ohne der für Werke notwendige Gestaltungshöhe fehlt, macht eine Analogie nötig, wurde aber vom BGH in seinem letzten Urteil so nicht verbeschieden. Vielmehr beließ er es bei der Analogie des § 24 Abs. 1 UrhG für Tonträgerhersteller, ohne die Vorschiften selbst auch noch entsprechend anzupassen.

Keine doppelte Analogie für Tonträger
Dass dies für Laufbilder erst nachträglich ins Gesetz aufgenommen wurde, spricht im Umkehrschluss dafür, dass es einer solchen Regelung für reine Tonaufnahmen ebenfalls bedarf. Da der Gesetzgeber dies außer Acht gelassen hat, ist es zumindest erfreulich, dass der BGH auf diesen Umstand hingewiesen hat. Eine direkte Analogie des § 24 Abs. 1 UrhG ohne Rückschluss auf den § 95 UrhG bereitet aber aus den o.g. Gründen dogmatische Bauchschmerzen. Im Ergebnis macht es spätestens dann einen Unterschied, wenn man den § 24 Abs. 1 UrhG anwendet, sei es direkt oder analog. Bei der Bestimmung, welche Teile nun miteinander verglichen werden sollen, kommt es letztlich doch darauf an, ob auch Tonaufnahmen ohne Werkcharakter und Teile davon genauso geschützt werden sollen wie Laufbilder oder ob diese vielmehr auch bei entsprechender Anwendung nur im Gesamteindruck betrachtet werden dürfen, das Maß der Strenge an den inneren und äußeren Abstand, den § 24 Abs. 1 UrhG für eine freie Benutzung fordert, an die neue Produktion nicht so hoch sein darf wie bei schöpferischen Werken mit Gestaltungshöhe oder eben bei den explizit gesetzlich geschützten Laufbildern. Konsequent kann nur letzteres sein. Doch das hat der BGH nicht entschieden. Das ist schade!

Ohne Analogie soll eine untere Schwelle Abhilfe schaffen
Einige Stimmen aus Literatur und Rechtsprechung fordern ohne Rückgriff auf eine Analogie, dass für den Schutz aus § 85 UrhG ein substanziell, wettbewerblich relevanter Bestandteil der Herstellerleistung aus den Tonaufnahmen entnommen worden sein muss oder dass ein Mindestmaß an wirtschaftlichem, organisatorischem und technischem Aufwand getrieben wurde. Aus dem Gesetz lässt sich das nicht direkt ableiten. Auch der BGH hat sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen.
Denkbar wäre allerdings, eine allgemeingültige rechtliche Wertung aus § 87c Abs.1 UrhG, der es erlaubt, unwesentliche Teile einer Datenbank zu benutzen, zu ziehen, dass Unwesentliches frei genutzt und verwertet werden darf, dass das Urheberrecht also erst ab einer gewissen Relevanz greift. Dafür sorgt zum einen die Gestaltungshöhe für den Werkcharakter.
Zum anderen könnte man für artverwandte Rechte wie die der Trägerhersteller von Film oder Musik und auch sonstigen Tonaufnahmen die Wesentlichkeit oder nur anders formuliert, die Eigentümlichkeit als untere Schwelle für eine Verletzung des geschützten ökonomischen, organisatorischen und technischen Aufwands festlegen, der dem bei Datenbanken durchaus vergleichbar ist, weil nicht der Inhalt als solcher, sondern der Aufwand für die Aufarbeitung desselbigen ausschlaggebend für den urheberrechtlichen Schutz ist.

Film oder Datenbank, das ist hier die Frage?
Es ist jedoch naheliegend und praktikabler, Tonaufnahmen aller Art mit denen von Filmmaterial zu vergleichen, das einzeln betrachtet zumeist auch urheberrechtsfrei ist. Soundsamples sollten auch rechtlich wie Klammerteile im Filmgeschäft behandelt werden.

Dass der BGH letztlich die freie Benutzung auf Tonaufnahmen beschränkt, die nicht selbst aufgenommen werden können, verkennt, dass es bei dieser Frage allein um den finanziellen Aufwand geht, der getrieben werden müsste, um eine solche Produktion einzuspielen. Sieht man einmal von privaten Hobbyaufnahmen ab, die auf YouTube oder MySpace durchs Internet geistern, kann dieses Argument als rechtliche Schranke indes nicht überzeugen.

Fazit:

Die analoge Anwendung des § 24 ist nötig und richtig, aber so, wie der BGH vorgeht, leider auch missverständlich!
Eine Harmonisierung mit der für Filmträger bereits gefundenen Lösung für Laufbilder nach § 95 UrhG hätte sich auch in konsequenter Anwendung für das Problem Tonsampling angeboten. Dabei sollte es bei einer analogen Anwendung von § 24 Abs.1 UrhG gerade nicht entscheidend darauf ankommen, dass ein neues Werk mit Gestaltungshöhe geschaffen wird.

© Marcella Katharina Morelj 27.02.2009 Foto:pixelio/petplei

Samstag, 20. Dezember 2008

« German HipHop goes America»



oder wie schützt man sich vor Musikklau, im Fachjargon Sound-Sampling genannt?

Wie die Süddeutsche Zeitung und auch golem.de schon am 20.11.2008 berichteten,

http://www.sueddeutsche.de/kultur/57/358882/text/ oder http://www.golem.de/0811/63687.html ,

hat der BGH zum Sound-Sampling ein aktuelles Urteil gefällt. In dem dort entschiedenen Fall vermochte der Produzent von Sabrina Setlur, Moses Pelham, weiland 1996 zwei Takten von Kraftwerks Rhythmus-Pattern aus "Metall auf Metall" von ihrem legendären Album "Trans-Europa Express" (1977) − maximal drei Sekunden Sound − nicht zu widerstehen und sampelte sich diesen, ohne um Erlaubnis zu fragen, als Endlosschleife für den Song "Nur mir", den man sich unter der Adresse http://www.youtube.com/watch?v=_KQLxP-UX_Y sogar legal anhören kann, weil er von Pelhams Plattenfirma p3 dort eingestellt wurde.

Dass Songausschnitte, Sounds und Beats gerne mal in andere Musikwerke eingebaut werden, im Original oder auch nachgeahmt, ist in der Musikgeschichte nichts Neues.
Schon Dvořák, Tchaikowski oder auch Brahms plünderten gerne die Schätze der Volksmusik und ernteten die Lorbeeren für Tänze und Märsche ihrer Heimat, zumindest in Form von ewigem Ruhm. Damit bereicherten sie zweifelsohne die Kultur. Auch Blues, Soulmusik oder Jazz wäre ohne die Musik der afro-amerikanischen Sklaven und deren Nachfahren undenkbar, die zunächst einmal selbst nichts oder nicht allzu viel davon hatten.

Umso erstaunlicher ist, dass es ausgerechnet den Urvätern der elektronischen Musik von der Düsseldorfer Gruppe Kraftwerk gelang, ihre Beats der allerersten Sequenzer-Generation, die dem amerikanischen HipHop den Weg ebneten, rechtlich zu schützen und sich sogar an deren Verwertung in Übersee (USA) zu beteiligen.
Der Dinosaurier des HipHop, Afrika Bambaataa, hatte 1982 aus demselben Album von Kraftwerk die Melodie des Titelsongs in seinem "Planet Rock" nicht ganz zufällig nachgeahmt, als gerade das Original in afro-amerikanischen Clubs Furore machte. Kraftwerk zog vor Gericht, wo man sich auf eine gemeinschaftliche Verwertung einigen konnte. Beide profitierten von dem Deal.

Warum kam Moses Pelham erst 1996 auf die grandiose Idee, bei Kraftwerk zu plündern? Pelham war zwar nicht so dreist und sampelte ebenfalls eine berühmte Melodie, die hierzulande gemäß § 24 Absatz 2 UrhG absolut geschützt ist und nicht ohne Erlaubnis verwendet werden darf, nicht einmal in freier Benutzung nach § 24 Absatz 1 UrhG, dafür reichten aber zwei unveränderte schmale Takte Schlagwerk á la Kraftwerk voll und ganz, um den von Sabrina Setlur ansonsten gerappten Song zu harten Gitarrenriffs rhythmisch komplett zu unterbauen.

Durfte er das denn?

Jedenfalls bekam auch diesmal Kraftwerk Wind davon und zog vor Gericht. Glücklicherweise hatte die Gruppe die Platte damals im eigenen Studio aufgenommen und selbst produziert. Somit kam sie in den Genuss des § 85 Abs. 1 UrhG, bei dem der Aufwand des Tonträgerherstellers geschützt wird, selbst wenn es um kleinste Soundschnipsel geht, so der BGH in dem aktuellen Urteil. Nur der Tonträgerhersteller hat das ausschließliche Recht, die in dem Tonträger aufgenommenen Tonfolgen und Geräusche zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. Somit wendete sich der BGH ausdrücklich gegen die bisherige Rechtsprechungstendenz, zumindest kleinste Samples zuzulassen.

Hätten die Kraftwerker den Rechtstreit "nur" als Urheber oder Darbietungskünstler
geführt, hätten sie keine Chance bei der Schöpfungshöhe der besagten Rhythmussektion, da zwei Sekunden davon zweifelsohne das Maß an Individualität, das ein Produkt geistiger Arbeit zu einem urheberrechtlich schutzfähigen Werk oder Werkteil macht, sei es im Original oder auch als Darbietung, fehlt. Der Rhythmus eines Popsongs ist nur im Gesamteindruck, zusammen mit Harmonik, Struktur des Werkaufbaus, Instrumentation, Klangfarbencharakteristik, etc. zu Gunsten des Urhebers rechtlich beachtlich.


Eine endgültige Entscheidung überließ der BGH dem Berufungsgericht, das noch als Tatsacheninstanz zu klären hat, ob hier nicht eine freie Benutzung gemäß § 24 Absatz 1 UrhG vorliegt.
Das Gericht stellte dabei klar, dass es neben dem absoluten Melodieschutz eine zweite Fallgruppe gibt, die allerdings so nicht im Gesetz steht, bei der eine freie Benutzung grundsätzlich ausgeschlossen ist, nämlich dann, wenn der Samplesünder befugt und befähigt ist, die Tonfolgen, die er kopiert hat, auch selbst einzuspielen.

Ist das juristisch einleuchtend?

Nein.
Denn die freie Benutzung nach § 24 UrhG steht im Kontrast zur zustimmungsbedürftigen Bearbeitung nach § 23 UrhG, wenn das verwendete Werk in der Neuschöpfung weiterhin bestimmend ist.

Es kann jedoch in diesem Fall nicht entscheidend darauf ankommen, wie weit der sog. innere Abstand zum Original ist, da die Drum Patterns von Kraftwerk rechtlich gesehen als solche keine schutzfähigen Werkteile sind, die hinter den Rest der neuen Komposition Pelhams rechtlich zurücktreten müssten, auch wenn der Sound unverkennbar an Kraftwerk erinnert, seine zeitlose Popularität durch Verwendung des Originals klar ausnützt, was für jeden Kraftwerk-Fan sofort erkennbar ist.
Es kann sich folgerichtig – rein juristisch versteht sich – dann auch nur um eine freie Benutzung des "Kraft-Werkes" handeln. Andernfalls würde man dem Rhythmus in einem Popsong, entgegen der bislang gängigen Rechtspraxis durch diese Konstruktion auf einmal doch größere Bedeutung beimessen, ihm sogar werkbestimmenden, zustimmungsbedürftigen Charakter zusprechen, hielte man die Verwendung desselbigen nicht für eine frei Benutzung des Werkes, sondern für eine zustimmungsbedürftige Bearbeitung nach § 23 UrhG, wenn man annimmt, der innere Abstand zum Original, in dem Fall der Originalaufnahme, sei nicht groß genug.

Das wiederum wäre ein sicherlich nicht gewollter urheberrechtlicher Wertungswiderspruch zum urheberrechtlichen Werkbegriff und der erforderlichen Schöpfungshöhe auch für Werkteile, erst recht bei Popsongs, bei der sowieso nicht allzu hohe Anforderungen an die gebotene Individualität bestehen, bei der aber diese für den Rhythmus nach einhelliger Meinung abgelehnt wird.
Davon wollte der BGH sicher nicht abweichen, zumindest äußerte er sich nicht dementsprechend.

Noch wesentlicher ist jedoch, dass es sich bei Benutzung oder Bearbeitung nach §§ 23, 24 UrhG um Ausgestaltungen des künstlerischen Urheberpersönlichkeitsrechts und nicht um die wirtschaftlicher Schutzrechte des Tonträgerherstellers in § 85 UrhG geht. Auf letztere können sie deshalb auch nicht angewendet werden, weil sie schlichtweg nicht passen.
Der BGH möchte offensichtlich trotzdem den unbegrenzten Schutz aus § 85 UrhG deckeln, indem er den wirtschaftlichen Aufwand zumindest dann nicht mehr schützen möchte, wenn der Urheber selbst einer Benutzung seines Werkes nicht widersprechen könnte, unabhängig davon, dass der finanzielle Aufwand auch in dem Fall gleich hoch wäre, also nicht minder schützenswert. Es handelt sich folglich um zwei völlig verschiedene Zielrichtungen, Schutz der geistigen Leistung auf der einen Seite, Schutz des Produktionsaufwands auf der anderen, die beide bislang völlig unabhängig voneinander existierten. Dabei wurde der wirtschaftlichen Leistung zuvor mehr Bedeutung beigemessen als der künstlerischen.
Jetzt soll der wirtschaftliche Aspekt zumindest nicht grenzenlos geschützt sein, obwohl das Bedürfnis der Tonkünstler im digitalen Zeitalter eher dahin geht, einen ähnlich strengen Schutz ihrer Werke zu beanspruchen, wie es bislang nur ihre Tonträger und deren Hersteller genossen.

Dazu ein fiktives Beispiel:
Was würde wohl Queen dazu sagen, würde man auch nur das "Bismillah no" aus dem Chor der "Bohemian Rhapsody sampeln und als Loop in einem neuen Song ständig wiederholen oder auch nur in einer Bridge? Wenn der Song im Übrigen ein ganz anderer wäre, etwa wie bei den diversen Soul Makossa-Einsprengsel gegen den Willen von Manu Dibango bei Michael Jackson ( Don't stop till you get enough) oder Rihanna ( Please don't stop the music), könnte man, je nach dem, zumindest bei der Rihanna-Variante, großzügig eine freie Werkbenutzung annehmen.
Freddie Mercury aber hatte damals jede einzelne Stimme des Chors separat aufgenommen, weil man seine Stimme 1975 eben noch nicht sampeln und beliebig vervielfältigen konnte. Der Produktionsaufwand wie auch der zeitliche war für damals enorm und ist heute immer noch, wenn nicht erst recht, überaus schützenswert. Freddie würde vermutlich im Grab rotieren.

Dafür hat sich der BGH offenbar die zweite Fallgruppe einfallen lassen, bei der es mit der freien Benutzung eines Werkes doch nicht klappen soll.
Wie ist die zu verstehen? Wer ist befähigt und befugt, Tonaufnahmen selbst vorzunehmen?

Jeder, der einen Drumcomputer programmieren oder mit Drumming Software umgehen kann, dürfte wohl dazu befähigt sein, diesen Rhythmus selbst einzuspielen.

Wie sieht es mit der Befugnis aus? Welche Befugnis meinen die Bundesrichter?
Wird der Beat etwa rechtlich zulässig zitiert, was hier wohl kaum der Fall ist, wenn das gesamte Lied mit dem Rhythmus unterlegt wird oder hat der Benutzer gar ein Bearbeitungsrecht erworben, z.B. für eine Coverversion oder einen Remix, besteht schlichtweg kein Bedarf mehr für eine freie Benutzung des zugrundeliegenden Werkes. Das kann es wohl nicht sein!


Meinte der BGH etwa kryptisch, Musikproduzenten seien beruflich dazu befugt, Musik einzuspielen und sollten dementsprechend auch dazu befähigt sein, es selbst zu tun, statt in der jüngeren Musikgeschichte auf digitalen Raubzug zu gehen? Die Pressemitteilung ist hierzu nicht eindeutig.

Fazit:

Es ist nicht klar, welche neuen Ausnahmen von der freien Benutzung der BGH neben dem absoluten Melodieschutz etablieren will. Vermutlich geht es ihm um eine Ausnahme bei kommerziellem Sampling. Die ist aber nicht nötig, wenn man bei einer rigorosen Anwendung des § 85 Abs. 1 UrhG auch für Licks bleibt und nicht auf § 24 UrhG zurückgreift, der allein dem Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts dient und auf die wirtschaftlichen Interessen der Musikindustrie schlichtweg nicht anwendbar ist, zu deren Schutz man sich schließlich gesetzlich im § 85 UrhG durchgerungen hatte. Vielmehr sollte man die Urheber in ihren Rechten ähnlich stärken.
Begrenzt man jedoch den Schutz des wirtschaftlichen Produktionsaufwands mit den Mitteln des Urheberpersönlichkeitsrechts, um ihn anschließend wieder auszuhebeln, weil er für Musikproduzenten dann doch nicht gelten soll, sondern nur für private YouTube-Spaßvögel, ist das zum einen umständlich, rechtlich unsauber und wird zudem besonders komplexen und kostspieligen Aufnahmen, gerade aus der Vergangenheit, nicht gerecht. Bei letzteren darf es nicht auf die Quantität des Tonklaus, einen Tonfetzen mehr oder weniger, ankommen. Vielmehr sollte der Schutz der Urheber und Darbietungskünstler (i.e. z.B. auch der Studiomusiker, die der Aufnahme ihren persönlichen Stempel aufdrücken) ebenfalls strenger gehandhabt werden wie schon bei den Tonträgerherstellern. Besonders einprägsame Rhythmussequenzen oder Gitarrenriffs sollten ruhig mehr Urheberrechtsschutz genießen, wenn sie den für Fans erkennbaren, einem Künstler zurechenbaren Erfolg von Popsongs ausmachen. Diese Künstler sind letztendlich diejenigen, die die Kultur, aber leider auch die professionellen Parasiten bereichern.

Den Kreativen des digitalen Zeitalters bleibt immer noch die rechtlich zulässige Bearbeitung von Samples. Hätte Moses Pelham die Rhythmussequenz von Kraftwerk nicht nur einfach kopiert, sondern auch verfremdet, variiert, wäre ihm der Prozess vermutlich erspart geblieben oder er hätte zumindest bessere Karten gehabt.

Für eine abschließende Beurteilung der Rechtslage beim Sound-Sampling ohne Reue wird man die Urteilsbegründung abwarten müssen. Die und auch das Berufungsgericht bringen hoffentlich mehr Licht ins Dunkel des Diskothekensounds und seiner Herstellung.

© Marcella Katharina Morelj München 06.12.2008 Foto pixelio, Kurt F. Dominik