Mittwoch, 12. Dezember 2007


Kostenlose Vertragsmuster im Internet auch mustergültig?


Nicht nur in der Musik kommt es darauf an, mit welchem Instrument man welche Art von Musik spielen möchte! Sie entscheiden, welches Vertragsinstrument am besten zu Ihnen passt, ein komplexer Synthie, ein Klavier, ein Flügel oder das billige Plastikkeyboard!
Auch aus seriösen Quellen wie der IHK Frankfurt bekommt man im Internet Vertragsmuster für alle Eventualitäten des Geschäftslebens und das auch noch für lau geliefert.

Doch sind die begehrten Vertragsmuster im Internet auch mustergültig?

Kann man sich darauf verlassen, dass es Standardverträge gibt, die alle Eventualitäten z.B. eines Softwareerstellungsprojekts abdecken, die man immer wieder verwenden kann?

Letzte Frage kann man mit einem entschiedenen Nein beantworten!

Das zeigt auch das konkrete Beispiel der Haftungsregelung des Softwareerstellungsvertragsmusters der IHK Frankfurt, das dort im Web unter http://www.ihk-frankfurt.de/recht/mustervertrag/software_erstellung/index.html besichtigt werden kann. Man muss der IHK zu Gute halten, dass sie ihre Vertragsmuster nicht als der Weisheit letzter Schluss präsentiert.

Hier die Klausel:

§ 13 Haftung

AN haftet nur für Schäden wegen Rechtsmängeln, für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (außer Haftung für Körperschäden). Für leicht fahrlässige Vertragsverletzungen haftet er nur bis zu EURO .............. sowie für Schäden, mit denen im Zusammenhang mit einem Softwareentwicklungsauftrag typischerweise gerechnet werden muss. Im übrigen ist jede Haftung ausgeschlossen - gleich aus welchem Rechtsgrund - insb. auch für Datenverluste und Folgeschäden ausgeschlossen. Die Haftung ist auch ausgeschlossen, soweit zugunsten von AG eine Versicherung besteht.

Was ist daran auszusetzen?

  • Die Sachmängelhaftung darf nicht komplett ausgeschlossen werden, das ist nicht einmal individualvertraglich möglich, geschweige denn in AGB’s, auch nicht unter Kaufleuten.
  • Die Haftung für grobes Organisationsverschulden kann in AGB’s nicht wirksam ausgeschlossen werden.
  • Es ist unklar, dass für Personenschäden unbegrenzt gehaftet werden muss.
  • Auch bei Verletzung von Kardinalpflichten darf selbst die leichte Fahrlässigkeit von Erfüllungsgehilfen nicht zum Haftungsausschluss in AGB’s führen.
  • Die formularmäßige Haftungsbegrenzung auf vertragstypische Schäden gilt nur für leicht fahrlässig begangene erhebliche Pflichtverletzungen, sowie die wesentlicher Vertragspflichten.
  • Die Haftung nach Produkthaftungsgesetz darf nicht ausgeschlossen werden, gewiss auch nicht die nach Deliktsrecht.
  • Ein Haftungsausschluss aufgrund einer Versicherung ist sicher nicht möglich, geschweige denn gewollt. Früher waren Haftungsbegrenzungen bis zur Höhe einer bestehenden Vermögensschadenshaftpflichtversicherung üblich und zulässig, diese Klauseln sind zwischenzeitlich hinfällig geworden.
  • Bei einer Pauschalierung der Schadenshöhe kommt es gerade auf die Höhe an, ob die Klausel wirksam vereinbart werden kann oder nicht.

Individuelle Softwareerstellungsprojekte müssen in den verschiedenen Phasen, von der Konzeption bis zur Inbetriebnahme, unterschiedlichste Risiken sowie gewünschte und unerlässliche Anforderungen berücksichtigen, damit das Projekt gelingen kann. Das trifft nicht nur für die technische Seite des Projekts zu, sondern auch für die kommerzielle, mit der die rechtliche eng verzahnt ist.

Denn da, wo Verträge Lücken aufweisen, entstehen konkrete Risiken, die sich früher oder später kommerziell auswirken können in Form von Schadensersatzansprüchen, Abmahnungen, Gerichtsverfahren oder auch Kündigungen seitens wichtiger Vertragspartner.

Das kann zwar nie völlig ausgeschlossen werden, aber eine vernünftige, individuelle Vertragsgestaltung, die die üblichen, wie auch die besonderen Risiken jedes Projekts abklopft, verhindert, dass sich die größten Übel realisieren können und führt zu einer verlässlichen Projektbasis, die wiederum förderlich für die technische Umsetzung ist, weil Risiken pro-aktiv angegangen werden, bevor sie überhaupt zum Streitthema werden können.

Fazit:
Es gibt genügend Anknüpfungspunkte, die gegen eine gedankenlose Übernahme von Vertragsmustern sprechen. Ungewollte realistische Konsequenz, unbegrenzte gesetzliche Haftung! Ein glatter Schuss nach hinten!

Bevor Sie also ein Vertragsmuster blind übernehmen, fragen Sie lieber eine erfahrene IT-Vertragsjuristin, es sei denn, Ihnen reicht das Plastikkeyboard![1][2]


[1] Natürlich dürfen Sie auch einen männlichen Kollegen fragen!

[2] Bild Urheberrecht © pixelio.de/thommywe