Freitag, 26. September 2008

Unerschöpfliche Diskussion um Handel mit gebrauchter Software (Teil 2)



In Teil 1 wurde ausführlich besprochen, warum das Hauptargument gegen den Vertrieb gebrauchter Software nicht überzeugt, dass der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz, der dem Rechtsinhaber über den Erstvertrieb hinaus keine Verbreitungsverbote oder -beschränkungen erlaubt, beim Downloadvertrieb nicht anwendbar ist, weil es an einem Vervielfältigungsstück mangeln soll, das körperlich veräußert werden könnte.
In diesem zweiten Teil sollen weitere Argumente für und wieder genauer unter die Lupe genommen werden.

Darf das urheberrechtliche Vervielfältigungsrecht des Rechtsinhabers der Erschöpfung entgegenstehen?
Immer wieder wird eingewendet, dass, wenn sich auch das Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers an einem Vervielfältigungsstück einer Software erschöpfen mag, dieses jedoch nicht für das Vervielfältigungsrecht nach § 16 UrhG gilt, mag eine Vervielfältigung für die Weiterveräußerung von Softwarelizenzen auch faktisch erforderlich sein, wie bei der Aufspaltung von Volumenlizenzen, bei der von einer Master-CD Kopien angefertigt bzw. neue Kopien von einem Server heruntergeladen und auf der Festplatte abgespeichert werden müssen, weil es sonst
zu einer
unerlaubten Vermehrung der Gesamtzahl der lizenzierten Vervielfältigungsstücke käme, zu der keine ausdrückliche Zustimmung des Rechtsinhabers gemäß § 34 Abs. 1 UrhG vorliegt. Eine bestimmungsgemäße Nutzung des Computerprogramms, die diese Zustimmung gemäß §§ 69c Nr1, 69d Abs. 1 UrhG obsolet macht, soll gerade bei der Weiterveräußerung eigener Lizenzanteile nicht vorliegen, erst recht, wenn der Erstverkäufer nur nicht übertragbare Nutzungsrechte vertraglich habe einräumen wollen. Somit habe er diese Zustimmung explizit verweigert. Demzufolge könne sich das Verbreitungsrecht auch nicht an einem neu hergestellten Vervielfältigungsstück erschöpfen. Da es im Urheberrecht keinen gutgläubigen Erwerb fehlender Rechte gibt wie im Sachenrecht, soll der Zweitverkauf daran scheitern.

§Auf gut Deutsch§
Bei der Erstinstallation der Volumenlizenz einer Software auf 100 Arbeitsplätzen, muss die gelieferte Master-CD auf 100 Computerfestplatten aufgespielt werden. Vernachlässigt man die vorübergehenden Vervielfältigungen im Arbeitsspeicher, hat man am Ende des Tages 101 dauerhafte Vervielfältigungsstücke, also eine mehr als lizenziert. Das soll urheberrechtlich unschädlich sein, weil der Ersterwerber die gekaufte Software sonst gar nicht selbst nutzen könnte (§§ 69c Nr1, 69d Abs. 1 UrhG).
Verkauft der Ersterwerber dann 50 Lizenzen weiter, muss er natürlich die Software von 50 Computern löschen. Dann hat er noch 51 Stück zur eigenen Verfügung (50 auf Rechnern und die Master-CD).
Um die anderen 50 weiterübertragen zu können, muss er aber eine Kopie der Master-CD anfertigen, damit der Zweiterwerber wiederum von dieser aus 50 Installationen vornehmen kann.
Nach Adam Riese macht das jetzt insgesamt 102 Vervielfältigungsstücke. Jetzt kommt auf einmal der urheberrechtlich begründete Aufschrei, das sei eine Kopie zu viel, weil der Rechtsinhaber, also der Erstverkäufer, ursprünglich nur 100 lizenziert hatte! Hat er auch noch vertraglich geregelt, dass er einen Weiterverkauf von Software nicht zulassen möchte, scheitert der Zweitverkauf schon urheberrechtlich am Pferdefuß der fehlenden Zustimmung des Rechtsinhabers, die dafür erforderlich wäre und zwar für die zweite Kopie der Master-CD,!
Hätte er alle 100 zusammen mit der Master-CD weiterverkauft, wäre das urheberrechtlich nicht zu beanstanden, da sich trotz anderem Willen des Rechtsinhabers das Verbreitungsrecht an den 100 Lizenzstücken erschöpft hatte.

Fazit:
Es gibt keinen plausiblen Grund, warum man die Aufspaltung von Volumenlizenzen oder den Download auch nur einer gebrauchten Lizenz anders behandelt bzw. verbietet. Dass sich das Verbreitungsrecht nur bei der Weiterveräußerung einer Werkstückskopie oder eines ungeteilten Lizenzvolumens erschöpft, ist rechtlich wie praktisch nicht einzusehen.

Auch das Flakon-Urteil des BGH aus dem Jahr 2000 spricht sich eindeutig für eine Zulässigkeit von Vervielfältigungen aus, die mit der Ausübung des Verbreitungsrechts korrespondieren.
Nur weil es sich in diesem Fall der Vervielfältigung um eine Abbildung eines Werkstücks gemäß §16 Abs.2 UrhG, eines Flakons, handelt, schließt nicht aus, dass man daraus den für alle Vervielfältigungsarten gültigen Grundsatz ableitet, eine Weiterverbreitung, gegen die der Rechtsinhaber wegen des Erschöpfungsgrundsatzes gemäß § 69c Nr3 Satz 1UrhG keine Handhabe hat, dürfe nicht am fehlenden Vervielfältigungsrecht scheitern, da dieses sonst den Erschöpfungsgrundsatz aushöhlen würde, der nicht nur für Vervielfältigungsstücke gilt, die als Annex eines Werkstücks zu betrachten sind, wie die Abbildung eines solchen in einem Werbeprospekt o.ä. Medium. Der Gesetzgeber kennt keine solche Unterscheidung, sondern spricht von vorübergehenden und dauerhaften Vervielfältigungen in 16 Abs.1 UrhG und in Abs. 2 von der Wiedergabe und Übertragung auf Bild- und Tonträgern. Dass diese Vervielfältigungsarten rechtlich unterschiedlich zu behandeln wären, ist weder dem Gesetz, noch der o.g. höchstrichterlichen Rechtsprechung zu entnehmen. Jedenfalls hat sich der BGH nicht dahingehend geäußert, dass die Vervielfältigung des Flakons in einer Abbildung nur deshalb urheberrechtlich erlaubt ist, weil es sich gerade nicht um ein neues "verkörpertes" Werkstück handelt.

Spielt es eine Rolle, wenn der Verkauf von Standardsoftware höchstrichterlich als Sachkauf qualifiziert wird?
In ständiger Rechtsprechung geht der BGH unmissverständlich davon aus, dass es sich bei Standardsoftware, die auf einem Datenträger verkörpert ist, um eine beweglich Sache im Sinn von § 90 BGB handelt. Dabei ist das Medium des Datenträgers irrelevant, wie auch bei einem Buch, das als Hörbuch in mp3-Format immer noch verkörperte geistige Leistung des Autors ist und nicht deshalb kein Buch und auch keine bewegliche Sache mehr, nur weil man es in vorgelesener Form als Datenpaket herunterladen kann und der Text nicht zwischen zwei Buchdeckeln greifbar ist. Das gilt auch für standardisierte Software. Konsequenterweise werden Softwareüberlassungsverträge als Sach-Kaufverträge qualifiziert, wenn es um eine dauerhafte eigentümerähnliche Besitzverschaffung an der Software geht. Bei einer Gebrauchsüberlassung auf Zeit wird u.a. Mietrecht angewendet, wie z.B. bei ASP-Verträgen. Dabei kommt es eben nicht auf die "Verpackung" der Software an, also ob diese von einem Server aus, wie bei ASP-Verträgen üblich, genutzt, von einem solchen auf Festplatte oder einem anderen Speichermedium geladen, von CD-ROM oder von einer DVD aus auf Festplatte oder ein anderes Speichermedium installiert werden kann.

Fazit:

Wenn schon im Kaufrecht Standardsoftware als verkörperte geistige, wie nutzbare Leistung des Urhebers Sachqualiät zugesprochen wird, ist unverständlich, warum dann im Urheberrecht diese Sachqualität abgelehnt wird. Schließlich handelt es sich um einen einheitlichen Sachverhalt, bei dem zum einen per Kaufvertrag diese verkörperte geistige Leistung an einen Zweiterwerber veräußert und Besitz daran verschafft und zum anderen ebendiese von dem Ersterwerber im urheberrechtlichen Sinne verbreitet, also gemäß §17 Abs. 1 UrhG durch Weiterveräußerung in Verkehr gebracht wird. Es wäre absurd, würde man auf der kaufvertraglichen Ebene die Software in jeder Form als Sache akzeptieren, sich urheberrechtlich damit aber in derselben Situation schwertun. Daher müsste auch ein gutgläubiger Erwerb zumindest analog §932 BGB möglich sein.

Trotzdem versuchen Erstanbieter von Standardsoftware die Nutzung auf urheberrechtlicher Ebene, wie auch bei Hörbüchern, zu beschneiden, indem sie Weiterveräußerungsverbote in Form von nicht übertragbaren Nutzungsrechten und weitere Nutzungsbeschränkungen, z.B. auf Konzernunternehmen, vertraglich vorsehen.
Welchen Einfluss haben Beschränkungen von Nutzungsrechten sowie Weiterveräußerungsverbote? Spielt die Sachqualität hier nicht auch eine entscheidende Rolle? Welche Vertragstypen stehen zur Debatte? Wie kann der Rechtsinhaber den Vertrieb seiner Software juristisch sauber regulieren? Wie sind vertragliche Regelungen in AGB und individualvertraglich zu beurteilen?
Lesen Sie das in Kürze in Teil 3 der Urheberrechtstrilogie zum kontroversen Thema "Vertrieb gebrauchter Software".

©Marcella Morelj 30.08.2008 , Foto pixelio/Ernst Rose

Donnerstag, 11. September 2008

Unerschöpfliche Diskussion um Handel mit gebrauchter Software (Teil 1)


Das rechtskräftige Urteil des LG München I zum Vertrieb gebrauchter Software – diesmal handelte es sich um den teilweisen Verkauf aufgespaltener Microsoft-Volumenlizenzen – zu Gunsten des Gebrauchtsoftwarehändlers usedSoft hat noch keine befriedigende Lösung des Problems gebracht, ob dieser generell legal ist oder eben nicht.

Juristisch von entscheidender Bedeutung ist dabei,
wie dem urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz gemäß § 69 c Nr3 Satz 2 UrhG im Spannungsfeld mit dem damit kollidierenden Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers gemäß §§ 69c Nr3 Satz 1, 17 Abs. 1 UrhG gebührend Rechnung zu tragen ist.

Grundsätzlich hat allein der Urheber das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke seines Werks der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Dieses Recht wird vom Gesetz als Verbreitungsrecht bezeichnet.

Der Erschöpfungsgrundsatz begrenzt jedoch dieses ausschließliche Verwertungsrecht. Er bestimmt, dass der Rechtsinhaber durch Veräußerung eines Vervielfältigungsstücks im europäischen Wirtschaftsraum dieses Recht verbraucht hat, so dass weitere Verwertungshandlungen in Bezug auf dieses Exemplar nicht mehr vom Schutzrecht erfasst werden. Insoweit steht ihm nur das Recht zur Erstverbreitung zu.

Grund soll die u.a. durch die EU-Richtlinie 2001/29/EG zur Informationsgesellschaft in Art. 4 Abs. 2 gebotene Sicherstellung der Verkehrsfähigkeit der einmal im europäischen Wirtschaftsraum veräußerten Werkstücke sein.

Dabei soll es zumindest in Deutschland entscheidend darauf ankommen, ob es sich um ein "verkörpertes" Vervielfältigungsstück des Werks handelt, die Software also auf Datenträger veräußert wurde, ein scheinbar probates juristisches Argument, um den Handel mit gebrauchter Software, insbesondere per Download zum Versiegen zu bringen, zumal letzterer dem modernen Warenverkehr von Software entspricht, weil immer seltener Datenträger verkauft werden.

Dass das Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers gemäß § 15 Abs. 1 UrhG ein Verwertungsrecht in körperlicher Form ist, ist in Lehre und Rechtsprechung völlig unbestritten und wird auch hier nicht angezweifelt.

Bislang wurde in diesem Zusammenhang jedoch nicht konkretisiert, wovon dieses abzugrenzen ist, was also im Gegensatz dazu eine Verwertung in unkörperlicher Form ist. Dabei ergibt sich die Lösung unmittelbar aus Abs. 2 derselben Vorschrift, aus § 15 Abs. 2 UrhG:
Bei unkörperlichen Verwertungsarten geht es nicht um die Manifestierung des Werks in einer irgendwie gearteten festen Form, sondern um deren flüchtige Darbietung wie bei der öffentlichen Wiedergabe, Sendung in TV, Hörfunk oder Aufführrung, etc.

Ein Datenpaket hingegen verflüchtigt sich nicht deshalb, nur weil es noch auf Festplatte geladen oder auf CD gebrannt werden muss. Es bleibt immer dasselbe Datenpaket mit derselben Software, allein die Verkörperungsform desselben Werkstücks ändert sich.

Sofort drängt sich der Gedanke auf, dass die unkörperliche Verwertung beim Download von Software nicht passt, weil man Software schwerlich aufführen kann. Es ist konsequenterweise nicht einzusehen, warum der Download von Software dann als unkörperlich betrachtet wird.

Wenn man schon eine Regelung des Urheberrechts analog anwenden möchte, weil man in einem digitalen Datenpaket keine veräußerbare Ware sehen möchte, nur weil man diese nicht ins Regal stellen oder per Post zusenden kann, obwohl man diese genauso installiert und nutzt wie von einer CD oder DVD aus, dann kann die Lösung nur in der analogen Anwendung des § 15 Abs. 1 UrhG liegen, indem man die Verkörperung der Software in dem Datenpaket, das man vom Server des Verkäufers downloaden kann, der auf CD-ROM oder DVD gleichsetzt.

Dass es für eine Analogie an einer Regelungslücke mangeln soll, widerlegt schon die Systematik des Gesetzes. Schließlich wurden die Regelungen für den urheberrechtlichen Schutz von Software gemäß §§ 69a ff. UrhG erst nachträglich 1993 eingefügt.
Angesichts der Tatsache, dass sich in der IT-Entwicklung in den letzten zehn Jahren vieles mehrmals massiv geändert hat, der Download von auch großen Datenpakten wegen der fast schon flächendeckenden Verbreitung von Breitbandanschlüssen mittlerweile der Normalfall ist, kann dem Gesetzgeber von 1993 und auch 1998 durchaus nachgesehen werden, dass er damals den Download von Software als Verwertungsart von Computerprogrammen (noch) nicht berücksichtigt hatte

Fazit:

Da auch der Originaltext der o.g. EU-Richtlinie 2001/29/EG bei genauer Betrachtung neutral formuliert von Kopien oder "copies" spricht, dürfte bereits eine direkte Anwendung der zwingenden gesetzlichen Folge der Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach dem Erstvertrieb gemäß §§ 69c Nr3 Satz 2, 17 Abs. 1, 15 Abs. 1 UrhG keine Kopfschmerzen bereiten.

©Marcella Morelj 25.08.2008, Foto pixelio/Alexander Hauk

Lesen Sie in Teil 2, was noch für die Legalität des Vertriebs gebrauchter Software, gerade beim Downloadvertrieb spricht und abschließend in Teil 3, ob und wie Hersteller überhaupt den Vertrieb ihrer Software rechtlich sauber steuern können.